
vor einer weile schon ist mein artikel über ein leben mit kind(ern) auf editionf.com erschienen. noch immer finden sich hier und da kommentare oder artikel, die regelrecht vor einem solchen leben warnen: es wäre unerträglich hart, es gäbe keine freizeit mehr, die karriere würde sich in richtung nulllinie bewegen … in mir wohnt viel zu viel dankbarkeit, das unkommentiert zu lassen. daher, ganz unkommentiert und quasi im director’s cut noch einmal meine gedanken hier:
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Was man (tatsächlich) wissen sollte, bevor man Kinder bekommt
In letzter Zeit häufen sich die Artikel, Blogposts und Kommentare zu den Themen Eltern-Sein und Leben mit Kind(ern), die sich der ungeschönten Wahrheit verschrieben haben. Obgleich ich bei einigen Artikeln in vielen Punkten zustimmen konnte und mich auch daran erinnere, wie hungrig ich in meiner Elternzeit nach anderer Auslastung war, hat sich bei mir auch Traurigkeit breit gemacht. Es ist zwar wirklich schön, dass Mütter (gleichwie Väter, die in den Artikeln übrigens oft leider weniger als Väter denn als in die Arbeit flüchtendes Elternteil beschrieben werden) sich auch offen über alle schwierigen Momente & Zweifel austauschen können, aber ich habe das Gefühl, dass hier etwas losgebrochen ist, das in eine falsche Richtung geht. Ursprünglich sollte der Vorstoß, offen zu sagen, dass Elternsein verflixt schwer ist, Trost spenden. Er sollte Unterstützung sein für alle, die vielleicht an ihren Fähigkeiten oder gar an ihrer Berufung, Mutter oder Vater zu sein zweifeln, weil es Tage und Wochen gibt, an denen jeder Schritt in die falsche Richtung zu führen scheint oder es schmerzt, dass vieles auf der Strecke bleibt, was einem auch wichtig wäre… Ja, allen Eltern geht es so. Alle Eltern kennen diese Gedanken. Der Vorstoß, war auch notwendig, um all den Müttern und Vätern, die das erste Lebensjahr zu Hause mit Kind verbringen, zu sagen, es ist in Ordnung, wenn Du feststellst, dass Du doch nicht rund um die Uhr Mama/ Papa sein kannst, sondern Dich nach einem Ausgleich in Form von Arbeit fernab des Zuhauses, Sport etc. sehnst. Bedürfnisse sind unterschiedlich, bei Kindern wie auch bei Erwachsenen. Der Vorstoß bekommt nur – meinem Empfinden nach – auch immer mehr den Beigeschmack, dass die Entscheidung FÜR ein/ mehrere Kinder gleichbedeutend ist mit Verlust, grenzenloser Einschränkung, Enttäuschung und Frust. Nicht zuletzt aufgrund des kürzlich erschienenen Artikels „Was Frauen wissen sollten, bevor sie Kinder bekommen“ von Verena Schulemann/ Mama Berlin, möchte ich hier einen Gegenversuch starten.
Mir drängen sich immer wieder die selben Fragen auf, wenn ich u.a. lese, dass
„Katrin tobte“, da ihr niemand vor der Schwangerschaft alle eventuellen Minuspunkte eines Lebens mit Kind(ern) erläutert hat und nach dem „glücklichen Mama-Rausch“ das böse Erwachen kam (siehe Schulemann/ Mama Berlin, 10.06.15):
Woher kommt diese extreme Bestürzung? Warum empfindet Katrin das Leben mit Kind so belastend und einschränkend, dass selbst die im Artikel genannten (immerhin…) „zehn Prozent … pures Glück“ nichts daran zu ändern vermögen? Es kann doch nicht sein, dass ein Kind, welches sich sein Geboren-Werden nicht ausgesucht hat, der Grund für das Unglück seiner Mutter ist. Dies soll keinesfalls anklagend klingen. Es tut mir in der Seele leid, dass Katrin (stellvertretend für womöglich viele andere Mütter und Väter) so traurig und wütend ist. Die Gründe dafür lassen sich aufgrund der individuellen Situation sicher nicht alle erörtern, ein paar, die alle Eltern betreffen, jedoch vielleicht schon. Wieso scheint es also notwendig, dass man (ich schließe hier mal beide Geschlechter mit ein) rechtzeitig aufgeklärt wird, welche ‚Erwartungen‘ man besser gleich wieder in Abrahams Wurstkessel stopft, um sich nach der ‚Verwandlung‘ nicht zu wundern, warum kein Glitzer und Zuckerstaub aus der Zauberkugel rieselt?
1) Nicht Loslassen können
Es ist immer schwer, Altes, Geliebtes loszulassen, sei es auch noch so klein. Mit Kindern ändert sich jedoch alles. Alles deshalb, da jeder einzelne Aspekt des vorherigen Lebens plötzlich neu gewertet, strukturiert und besehen wird. Vieles, was bis dahin wichtig und richtig erschien, wird irrelevant oder will schlicht nicht mehr in das neue Leben passen. Das betrifft gute Veränderungen, aber auch solche, die zu Anfang weniger leicht zu verdauen sind. Wir lassen nicht gern los. Wie sagte mein Opa immer, „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, gefüllt mit roter Tinte“. Ja, so ist das wohl. Gewohnheiten abzuschütteln, bzw. für neue zu ‚opfern‘ ist hart, auch wenn der ‚Ersatz‘ noch so schön sein mag.
2) Das ewige Ziehen
Was ist richtig? Bauchgefühl oder auch die eigenen Bedürfnisse scheinen in Punkto Kindererziehung nicht mehr der rechte Maßstab zu sein. Begibt man sich guten Gewissens in das eine Lager, schreit das andere entsetzt auf. Geht Frau und/oder Mann kurz nach der Geburt des Kindes oder nach dem 1. Lebensjahr wieder arbeiten, tritt der Begriff Rabeneltern auf die Bildfläche. Bleibt man dagegen die erste 3 Jahre zu Hause, verweigert man seinem Kind die Möglichkeit, seine sozialen Fähigkeiten, bzw. sich als Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Stillt man sein Kind (vielleicht sogar mehr als 1 oder 2 Jahre) gilt man als egoistisch und zieht unweigerlich ein Rockzipfelkind groß. Entscheidet man sich kürzer oder gar nicht zu stillen, kann das Kind in keinem Fall gedeihen. Das ewige Ziehen, das uns daran hindert, individuell auf Bedürfnisse (des Kindes und der Eltern) einzugehen und Bauch und Herz entscheiden zu lassen, baut Druck auf. Druck wiederum erschöpft und verursacht Unzufriedenheit.
3) Ungerechtigkeit
Wie Juramama so treffend formuliert hat, stehen (werdende/ künftige) Eltern vor dem „finanziellen Problem der unwirtschaftlichen Berufstätigkeit und der Kinderaufzucht“. Es ist frustrierend, am eigenen Leib zu realisieren, dass diejenigen, die den Generationenvertrag nähren, selbst nicht ausreichend Nahrung erhalten und entlastet werden, um ohne Akrobatik oder Einbußen zu leben. Die Realität zeigt einen stetigen Balanceakt, wo die Theorie keine Ausweichschritte zulässt. Es ist in der Tat ein Zustand, der vor allem auch individuell Frust aufbaut, da es zu viele Tage gibt, an denen die Kraft eigentlich nicht ausreicht, um gegen Windmühlen zu kämpfen. U.a. dieses Beispiel beschreibt einen Teil dieses alltäglichen Kampfes recht deutlich:
„Eine 33-jährige Freundin einer Pferdewirtin (Einzelhandelskauffrau, Marketingmamagerin, Sportwissenschaftlerin, Modedesignerin, Veranstaltungskauffrau…) hat 25 Tage Urlaub im Jahr, ihr Mann ebenfalls. Ihr Grundschulkind dagegen aber 89 Ferientage. Die beiden nehmen daher ausschließlich getrennt voneinander „Urlaub“. Das 3-jährige Söhnchen geht seit vier Wochen nicht in KiTa, weil die noch streikt. Im Januar hatte der Kleine eine Woche die Kindergarten-Pest in Form von Maul-und-Klauenseuche. Da war Mama auch nicht im Büro, weil Oma mittlerweile im Pflegeheim ist. Der Arbeitgeber hat in einem Wutanfall neulich geäußert, dass er „Nie wieder ’ne Mutter einstellt!“, deswegen heult die Freundin am Küchentisch.“ (Blog Juramama, 08.06.15)
Die Liste der Gründe könnte natürlich weiter fortgesetzt werden, gleich der Nennung der Schattenseiten des Mutterdaseins in Mama Berlins Artikel. Allerdings, statt rein aufzuzählen, was alles wegfallen, schwierig oder anders wird, welche Festen zu wackeln beginnen etc., sollte nicht auch gesagt werden, was im Gegenzug alles hinzukommt, sogar leichter wird oder welche Erkenntnisse das Leben mit Kind(ern) als neue feste Pfeiler etabliert? Ja, auch ich habe in den letzten 3 Jahren schweren Herzens Dinge losgelassen, die mir als Person, als Frau wichtig waren, mittlerweile jedoch auch glücklich festgestellt, welchen Raum dies aufgeschlossen hat und, dass das Loslassen mich in eine Denkrichtung gestoßen hat, die ganz andere Wege zulässt, als ich sie noch vor 3 Jahren gegangen wäre. Das ewige Ziehen ist auch an mir und dem Mann nicht spurlos vorbeigegangen. Auch der andauernde Elternspagat zwischen Arbeit und Kind, finanzieller Sicherheit und Unsicherheit etc. fühlt sich oft genug unmenschlich an. Und ja, um noch einen privaten Punkt aufzugreifen, natürlich würde ich mir wünschen, dass sich nach 3 Jahren Müdigkeit, das Schlafpensum doch einmal (in sich verstetigender Weise) erhöhen ließe und unsere Nächte nicht mehr 3-4x unterbrochen würden.
ABER: Der persönliche Gewinn überwiegt doch bei weitem die alltäglichen Opfer.
Was man also wissen sollte, bevor man Kinder bekommt?
1) Dass sich natürlich ALLES verändert. Wer annimmt, dass sich das Kind problemlos und rücksichtsvoll in den bisherigen Alltag integriert, bekommt natürlich den Zauberstab recht schnell abgenommen.
2) Dass kein Zuckerstaub sachte in Pastelltönen auf ein Supermama oder –papakostüm herabrieselt, sondern das Alltagskleid mit Milch bekleckert ist und man sich oft vor Kichern ob des neu gewonnenen und angewendeten Galgenhumors kaum noch halten kann (vielleicht auch aus purer Müdigkeit, EGAL!).
3) Dass es wichtig ist, Veränderungen zuzulassen, um glücklich zu werden. Veränderungen sind der Schlüssel zur Verbesserung.
4) Dass ALLE an den Herausforderungen wachsen.
5) Dass es immer eine Lösung gibt, auch wenn diese nicht gleich parat ist.
6) Dass Kinder genauso oft Zweifel, Ängste und Frust wie wir verspüren und es schön ist, den Weg hinaus gemeinsam zu gehen.
Dass … Kinder der eigenen Seele gut tun!
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